Kritik
Dass sie nicht alle bis zum Ende durchstehen würden, dessen waren sich die Teilnehmer und die Teilnehmerinnen von Olympus schon bewusst. Sie dachten nur nicht, dass das so wörtlich zu verstehen wäre. Denn während sie darauf warten, dass die Reality-TV-Show in die nächste Runde geht, bricht draußen die Zombie-Apokalypse aus. Während das Team innerhalb des abgelegenen Studios nun nach Optionen sucht, irgendwie aus dem Schlamassel rauszukommen und die bisswütigen Untoten von draußen fernzuhalten, suchen immer mehr Menschen in dem Gebäude Zuflucht – was zu einer Reihe neuer Probleme führt …
Nachdem es eine Zeit lang im Horrorbereich praktisch kein Entkommen mehr vor den Zombies gab und sogar das Mainstreamkino die menschenfressenden, verfaulenden Monster für sich entdeckt hatte, wurde es zuletzt wieder ruhiger um sie. Das mag an der Übersättigung des Marktes liegen, vielleicht aber auch daran, dass es immer weniger Wege gab, sich noch irgendwie von der Konkurrenz abheben zu können. Das eigene Genre hatte man bereits längst verlassen, versuchte sich an Dramen (The Returned – Weder Zombies noch Menschen), Komödien (Fido – Gute Tote sind schwer zu finden), Liebesgeschichten (Warm Bodies), sogar ein Weihnachtsmusical war dabei (Anna und die Apokalypse). Was kann da noch kommen?
Eine neue Wiederholung
Cláudio Torres ließ sich von der steigenden Apathie jedoch nicht anstecken und entwickelte seine eigene Vision der Zombieapokalypse. Zugeben, ganz eigen ist die brasilianische Netflix-Serie Reality Z nicht. Stattdessen ließ sich Torres, der die Serie entwickelte, alle Drehbücher mitschrieb und auch teilweise Regie führte von den Briten beeinflussen, genauer der Serie Dead Set. In beiden Serien bricht das Unglück los, während die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer Reality-TV-Show noch mit ihrer Sendung beschäftigt sind. In beiden Fällen wird sich ein Großteil des Geschehens auch innerhalb des Studios abspielen.
Glücklicherweise verzichtete Torres jedoch darauf, eine reine Kopie zu machen. Tatsächlich spielt der Aspekt der TV-Show, die bei Dead Setnoch Teil der Geschichte war, hier keine übermäßig große Rolle mehr. Vieles von dem, was sich hier in dem Studio abspielt, könnte überall geschehen. Was seinerzeit durchaus auch eine Satire auf das Fernsehen war, verwandelt sich hier in eine universellere Apokalypse, die nur dann und wann auf das Setting Bezug nimmt – etwa bei einem herrlich bösen Casting, das zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet. Eine Satire sollte man sich hiervon also nicht erhoffen, allgemein ist der Humor auch nicht so stark, wie er im Vorfeld beworben wurde.
Und schon wieder einer (un-)tot
Was Reality Zaber deutlich von den meisten anderen Zombie-Produktionen unterscheidet, ist der Mut, die eigenen Protagonisten und Protagonistinnen zu opfern. Das ist natürlich im Horrorgenre nicht unüblich, ob nun Zombiefilm, Slasher oder dämonische Heimsuchung, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Zugunsten der Spannung oder Unterhaltung kann nicht jeder am Ende leben aus der Geschichte kommen. Torres geht dabei jedoch deutlich weiter, tauscht zwischendurch komplette Ensembles aus. Immer wenn man glaubt, jetzt die eigentliche Hauptfigur gefunden zu haben, wird man eines besseren belehrt, wenn schon wieder jemand ins Gras beißt. Ständig kommen neue Figuren hinzu, andere werden entsorgt, die Serie ähnelt eher einer Anthologieserie, die zufällig an einem Ort spielt.
Das sorgt für Abwechslung, auch wenn die Geschichte an sich nicht unbedingt die größte Entwicklung mit sich bringt. Vor allem thematisch bleibt Reality Zauf der Stelle stehen: Es geht eigentlich immer darum, wer in der Gruppe mit wem paktiert, wer wen hintergeht oder sich über andere hinwegsetzt. Freundschaften gibt es kaum, es reicht meistens nur für Zweckgemeinschaften. Widerwärtige Beispiele der Spezies Mensch sind sowieso einige dabei, die das Leben anderer grundsätzlich als minderwertig empfinden. Das macht die Serie zumindest manchmal auch zu einem Guilty Pleasure, wenn man darauf hofft, dass die Zombies als nächstes die „Richtigen“ in ihre Finger und Beißerchen kriegen. Für eine gesellschaftliche Aussage reicht das nicht, nur selten zeigt Torres, dass Zombiegeschichten inhaltlich relevant sein können. Spaßig ist das Ergebnis aber schon, teilweise sogar spannend. Schade nur, dass Netflix offensichtlich zu wenig Vertrauen in die Show hatte und deshalb auf eine deutsche Synchronisation verzichtete, weshalb man entweder auf die untertitelte Version oder eine englische Fassung zurückgreifen muss, die mal wieder völlig vermurkst wurde.
Credits
OT: „Reality Z“
Land: Brasilien
Jahr: 2020
Regie: Cláudio Torres, Rodrigo Monte
Drehbuch: Cláudio Torres, João Costa
Idee: Cláudio Torres
Musik: Luca Raele, Maurício Tagliari
Kamera: Rodrigo Monte
Besetzung: Ana Hartmann, Guilherme Weber, Ravel Andrade, João Pedro Zappa, Carla Ribas, Emílio de Mello, Jesus Luz, Luellem de Castro
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